Ich bin nur durchschnittlich kreativ. Ein Geständnis.

Freitag, 31. Januar 2014

Als Kind war ich die Kreative im Haus. Ich hab gemalt, gebastelt, Stöcke umstrickt (damals schon! Keine Ahnung, wie ich auf diese Idee kam), Tapetenbahnen mit Jungelmotiven versehen, Porzellan mit neuem Dekor aufgehübscht und meine Klamotten customized (das tat man in den 80ern als Standardteenie).

Während meines Studiums war ich nicht minder fleißig, aber mein Schwesterlein hat mich jedoch links in ihrer Produktivität überholte. Um die Jahrtausendwende ging es dann los mit Eigenkreationen für Pippi und Patchworkdecken zum Krabbeln. Aber es wurde weniger.

Ein bisschen Nähen hier, ein kurzer Malkurs da, ein wenig Homedeko.

Und plötzlich ist die ganze Welt um mich herum kreativ!

Bastelzeitschriften (die nennt man jetzt irgendwie anders) schießen wie Pilze aus dem Boden.

In jedem Blog wird gebastelt und gebacken, was das Zeug hält. Alle Kinder sind bestrickt und benäht. Männer mit fluffigen Beaniemützen ausgestattet. Ich sehe mir Wohnungen an, die komplett in Schwarz-/Weißtönen eingerichtet sind - der einzige Farbklecks sind die allerneuesten Dekozeitschriften auf dem Sofa. Ich sehe selbst kreierte Stoffe, allerkuscheligste Pullover, Retrokleider, unglaubliche kreative Kerzenständer, die aus den unglaublichsten Materialien upgecyled wurden.

Und das alles nicht nur einmal die Woche, sondern täglich. Jeden Tag eine neue kreative Idee, die dann bei einem Stückchen selbstausgedachten Schokoladen-Mandel-Kokosflockenschneegestöber-Tortenstück präsentiert wird. Natürlich passt das Geschirr farblich zu den selbstgenähten Stoffservietten. Und das Schulbrot ist nicht etwa ein simples Leberwurstbrot (ohje, mein armes Kind!), sondern es sind fragile Brotkreationen in Form von Kolibris mit handgeschnitzen Möhrenröschen. Ach, ja: Und alles ist vegan!

Jetzt stehe ich verwundert in der Bloggerwelt und frage mich: Was machen die Bloggerinnen mit Rind und Kind - wohnen die woanders? Wieviele Geschirrsets braucht man? Was macht man mit Ehemännern, die vegan für eine Nervenkrankheit halten und gerne mal ein Schnitzel essen. Oder zwei?

Genau die Ehemänner oder Partner? Wo werden sie versteckt? Was sagen die zu dem komplett weißen Wohnzimmer, wo sie sich nicht aufs cremefarbene Sofa setzen dürfen, weil die Jeans abfärben könnte? Wenn ich zu dekorieren anfange, dann hat der Popstar ganz bestimmt eine Meinung dazu - und es ist nicht immer die meinige. Ignoriert man das dann? Und mein Popstar ist ein durchaus sehr aufgeschlossener Popstar! Aber Suppe in kleinen Weckgläsern würde ihn überfordern.

Woher liebe Kolleginnen nehmt ihr die Zeit? Bis ich die Nähmaschine abends ausgepackt habe und das Kindlein final im Bett liegt bin ich fertig mit der Welt. Und der gerade Weg ins eigene Schlafgemach wird nur mit einem kreativen Schlenker am Badspiegel vorbei aufgewertet.


Ich muss gestehen: ich bin beeindruckt!

(Und kenne natürlich den egriff "Medienrealität"... Schon klar, dass das in Wirklichkeit nicht alles imme so perfekt ist und sich hinter dem weißen Sofa die ungewaschenen Socken stapeln... Oder etwa nicht?)


10 Kommentare:

  1. Du sprichst mir aus der Seele....

    LG Anja (bloglos... )

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  2. like.
    manchmal denk ich, ich sollte keine blogs mehr lesen, denn ich bin nicht immer nur beeindruck, je nach tagesform sinkt auch das selbstwertgefühl in bodenlose. besonders, wenn ich sehe, was frau alles für und mit ihrem kind tun, nähen, backen, gestalten könnte (müsste). aber zum glück komme ich durch meine beruf mit vielen menschen ins gespräch und gelegentlich auch in deren haus und trotz aufkeimendem neid merke ich, wenn ich wieder zu hause bin: hier ist mein leben, nicht perfekt - ich erreiche ja nicht mal den standart meiner mutter (die auch kein blog vergleichbares leben führte) - aber es passt zu mir: ebenso mein beruf, als auch mein mann und mein kind. an der wohnung gibt es einiges zu verbesser - zugegeben -. Ich bin gern unterwegs und freue mich, wenn andere etwas kreatives verkaufen, das genau zu mir passt. Und ich bin sehr froh, dass mein mann seinen eigenen geschmack einbringt ;) und nicht alles mir überlässt...
    egeg

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  3. Schön, das jemand mal die Fragen ausspricht, die ich mir auch fast tagtäglich stelle :-)
    Liebe Grüße,
    Andrea

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  4. Endlich mal jemand der sich darüber öffentlich wundert! :-)

    LG Tina (bloglos, weil Wäsche öfter mal aufs Zusammenlegen wartet, Kinder nicht nur selbstgenähtes anziehen wollen, der Hund auch mal in den Wald will und ab und an auch mal unschönes Essen auf dem Tisch steht - UND ich liiiiiebe Leberwurstbrot!)

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  5. Herrlich geschrieben :)
    Man muss glatt aufpassen sich nicht selbst unter Druck zu setzen, um da mitzuhalten.
    Bei uns sieht es (zum Glück?!) auch nicht aus wie in der letzten "Schöner Wohnen"-Ausgabe. Und wenn ich so wie gestern 2 Wochen nach Beginn eeeendlich mal die Mütze für den Sohn fertiggestellt bekomme, dann bin unglaublich stolz und froh, dass irgendwie zeitlich eingebaut bekommen zu haben. Entweder bin ich unglaublich schlecht im Zeitmanagement oder ich hab zu viele Kinder *lach*
    Egal, ich hab auch mit meinem total durchschnittlichen Blog Spaß :D

    LG Nicole

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  6. Puuuuh, jetzt bin ich aber beruhigt, dass ich nicht die Einzige bin, der es genau so geht. Ich habe weder die Zeit, noch die Kreativität für sowas. Und die falschen Männer noch dazu ;-)

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  7. Ich danke Dir!!! Endlich mal jemand, der ausspricht, was ich mir immer wieder durch den Kopf gehen lasse. Vor allem liegt nie irgendwas auch nur ansatzweise rum... Irgendwas... Nichts. Ganz ehrlich : das finde ich mehr als merkwuerdig. Ich stelle mir gerade vor, ich wuerde meinem Mann sagen, er moege das Buch dort bitte nicht ablegen, da es farblich nicht auf den Tisch passt... Er wuerde mich wohl einweisen lassen... (Und nicht zu Unrecht, finde ich).
    Lachende schottische Gruesse,
    Nessie

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  8. Bisher nur stille Leserin, schließe ich mich dem allgemeinen "Danke!" nun gerne an.
    Ich frage mich oft auch, wo die doch eher unansehnlichen Fernseher versteckt sind und warum sich außer mir offensichtlich jeder 400 Euro teure Designerstühle für den Esstisch leistet.
    Ich schau's mir gerne an, aber ich will da auch gar nicht mithalten.

    Hinter meinem Sofa (es war mal beige) stapelt sich übrigens die Bügelwäsche. Manchmal hoch bis zur Lehne. ;)

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  9. So wahr. Ich bin auch sehr beeindruckt und zweifel manchmal an meiner eigenen Organisation oder frage mich, wieso andere Menschen anscheinend mehr als 24 Stunden pro Tag zur Verfügung haben.

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